Wenn man vor dem weiß lackierten Fahrrad auf der Straße steht, vergisst man die Kälte. Dann spürt man nur diese Trauer. Schon wieder eine tote Radfahrerin in Berlin. 54 Jahre alt. Diesmal in Lichtenrade.
Ohne Handzeichen soll die Radfahrerin vom rechten in den linken Fahrstreifen gewechselt haben. Dabei kollidierte sie mit einem PKW. Sie prallte gegen die Windschutzscheibe und kam erst mehrere Meter hinter dem PKW wieder auf dem Boden auf.
Ich stelle mir vor allem zwei Fragen: Wie schnell musste die PKW-Fahrerin unterwegs gewesen sein, um diesen heftigen Aufprall zu verursachen – gehen wir davon aus, dass die Radlerin mit ca. 20 km/h unterwegs war. Und: Wie kann es sein, dass es überhaupt zu einem Zusammenstoß kam, wenn die PKW-Fahrerin doch ganz sicher die vorgeschriebenen 1,50 Meter Überholabstand zur Radlerin eingehalten hat?
Warum wurden diese Fragen nie gestellt? Warum wurde die Aussage der PKW-Fahrerin einfach so als „Wahrheit“ von Polizei und leider auch den Medien übernommen, ohne wenigstens im Nebensatz auf diese Unstimmigkeiten hinzuweisen?
Die Sichtweise der Radlerin werden wir nie erfahren. Sie starb am Unfallort. Und die Sichtweise der PKW-Fahrerin wird dazu führen, dass es heißt: Die Radlerin war schuld, denn so sind sie halt, die Kamikaze-Radler aus Berlin – stürzen sich in den Tod. Da kann man nichts machen.
So steht man also in der Kälte und stellt sich diese Fragen. Und dann denkt man daran, dass ja bald Kai Wegner von der CDU das Sagen hat. Man denkt an die Großwerbeflächen aus dem Wahlkampf, auf denen stand „Berlin, lass dir dein Auto nicht verbieten“. Infrastruktur, die tötet. Autofahrende, die sich in ihrem Hass auf diejenigen, die ihnen vermeintlich Platz und Freiheit wegnehmen wollen, nun bestätigt fühlen. Wird das unsere Zukunft?
Passt bloß auf euch auf!
Kai E. Bartosch/KEB Berlin
s. auch:
https://berlin.adfc.de/artikel/02032023-visionzero-demo-und-geisterrad-mahnwache-in-lichtenrade
https://www.berlin.de/polizei/polizeimeldungen/2023/pressemitteilung.1299049.php
